Nicht mehr leise 11FREUNDE

Publish date: 2024-12-06

Die Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft ist queerer denn je. Wie aus einer Ana­lyse des Maga­zins Out­sport her­vor­geht, sind in diesem Jahr min­des­tens 96 offen queere Per­sonen beim Tur­nier in Aus­tra­lien und Neu­see­land dabei. Das sind rund 13 Pro­zent der gesamten Athlet*innen, mehr als dop­pelt so viele wie bei der letzten WM 2019.

Zu den bekann­testen Gesich­tern gehören US-Ame­ri­ka­nerin Megan Rapinoe und die Bra­si­lia­nerin Marta. Rapinoe, die mit der erfolg­rei­chen Bas­ket­bal­lerin Sue Bird ver­hei­ratet ist, hatte sich in der Ver­gan­gen­heit immer wieder für queere Rechte ein­ge­setzt. Marta Vieira da Silva, die bereits zum sechsten Mal bei einer WM dabei ist, hatte vor einigen Jahren ihre Bezie­hung mit ihrer Ehe­frau Toni Deion Pressley öffent­lich gemacht und ist vielen Men­schen in ihrem Hei­mat­land ein wich­tiges Vor­bild.

Zu den großen Talenten bei der WM gehört auch die 18-jäh­rige Kolum­bia­nerin Linda Cai­cedo, was sie mit ihrem Traumtor gegen das deut­sche Team ein­drucks­voll unter Beweis stellte. Sie hat in ihren jungen Jahren bereits einiges durch­ge­macht. So wurde vor drei Jahren bei ihr Eier­stock­krebs dia­gnos­ti­ziert, später kämpfte sie sich Stück für Stück zurück und steht der­zeit bei Real Madrid unter Ver­trag. Die offen les­bi­sche Fuß­bal­lerin dürfte im wei­teren Ver­lauf des Tur­niers noch für einige Über­ra­schungs­mo­mente sorgen.

Ich möchte für queere Men­schen sichtbar sein.“

Im kana­di­schen Team ist Mittelfeldspieler*in Quinn dabei. Quinn war die erste nicht-binäre Person, die bei den Olym­pi­schen Spielen 2021 in Tokio die Gold­me­daille holte. Bereits 2020 sagte Quinn: Ich möchte für queere Men­schen sichtbar sein. Und ich möchte Cis-Leute her­aus­for­dern, bes­sere Ver­bün­dete zu sein“. Cis­ge­schlecht­liche Men­schen sind Per­sonen, die sich mit dem Geschlecht iden­ti­fi­zieren, das ihnen bei der Geburt zuge­wiesen wurde. Genau wie Megan Rapinoe steht Quinn der­zeit bei OL Reign in den USA unter Ver­trag. Bei der Welt­meis­ter­schaft schied das kana­di­sche Team nach dem 0:4 gegen Gast­geber Aus­tra­lien aller­dings noch vor dem Ach­tel­fi­nale aus.

Die meisten offen queeren Ath­le­tinnen spielen für Aus­tra­lien, dort sind es min­des­tens zehn. Darauf folgen Bra­si­lien (9), Irland (9) und Schweden (8). Auch beim deut­schen Natio­nal­team gibt es sechs offen queere Fuß­bal­le­rinnen wie Sara Door­soun, Svenja Huth und Lena Ober­dorf, die vor dem Tur­nier in einem Inter­view mit dem Guar­dian“ über die Bezie­hung zu ihrer Freundin sprach. Im Fuß­ball der Frauen sei es längst nor­ma­li­siert, offen les­bisch zu sein, so Ober­dorf. Ich wünschte, jeder schwule Fuß­baller könnte sich outen und von allen akzep­tiert werden.“

Bis Que­er­ness im Fuß­ball der Frauen nor­ma­li­siert wurde, war es ein langer Weg. Immer wieder waren Fuß­bal­le­rinnen mit Sexismus und Que­er­feind­lich­keit kon­fron­tiert. Ent­weder du bist das Sex­ob­jekt oder du bist die Kampf­lesbe“, sagte Nadja Pech­mann, Schieds­rich­terin beim Ber­liner Verein Sei­ten­wechsel gegen­über dem Deutsch­land­funk.

Ich ver­liebe mich in einen Men­schen, nicht in einen Mann oder in eine Frau.“

Auch Bun­des­trai­nerin Mar­tina Voss-Teck­len­burg berich­tete in einer kürz­lich erschie­nenen ARD-Doku­men­ta­tion von einer frag­wür­digen Ent­schei­dung bei der Nomi­nie­rung für die Olym­pi­schen Spiele 2000, nachdem die Bezie­hung zu ihrer dama­ligen Part­nerin Inka Grings öffent­lich geworden war. Außerdem sagte sie: Ich ver­liebe mich in einen Men­schen, nicht in einen Mann oder in eine Frau.“

In Deutsch­land trug die ehe­ma­lige schwe­di­sche Natio­nal­spie­lerin Nilla Fischer ent­schei­dend zur Sicht­bar­keit queerer Spie­le­rinnen bei. Wäh­rend ihrer Zeit beim VfL Wolfs­burg führte sie als Kapi­tänin 2017 die Regen­bo­gen­arm­binde ein. Bei der WM wurde diese vom Welt­ver­band Fifa unter­sagt.

Ob Spie­le­rinnen bei einem Tur­nier wie der WM offen mit ihrer Que­er­ness umgehen können, hängt auch maß­geb­lich mit der Situa­tion in ihrem Hei­mat­land und dem damit ein­her­ge­henden Sicher­heits­ri­siko zusammen. Bei einer Pres­se­kon­fe­renz wurden der marok­ka­ni­sche Trainer Rey­nald Pedros und Kapi­tänin Ghiz­lane Che­bbak von einem Reporter gefragt, ob es homo­se­xu­elle Spie­le­rinnen in der Mann­schaft gebe.

Medi­en­be­richten zufolge schritt der Fifa-Mode­rator ein und stoppte die Befra­gung. In Marokko, das zum ersten Mal an einer Fuß­ball-WM der Frauen teil­nimmt, ist Homo­se­xua­lität kri­mi­na­li­siert. Laut dem Straf­rechts­pa­ra­grafen 489 stehen auf homo­se­xu­elle Hand­lungen bis zu drei Jahre Haft. Der bri­ti­sche Sender BBC ent­schul­digte sich später für die Frage seines Repor­ters und bezeich­nete sie als unan­ge­messen“.

Der Text erscheint im Rahmen unserer Koope­ra­tion mit dem Ber­liner Tages­spiegel.

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